Brief IV - Mihai Eminescu

Einsam steht das Schloss und spiegelt sich im See, als ob es schliefe,
Ruht seit alter Zeit sein Schatten in des klaren Wassers Tiefe;
Schweigend ragt es aus dem Walde, wo die Tannen schon sich hellen,
Und schenkt Müdigkeit den Ringen aufgetaucht durch leichte Wellen.
Durch der Bogenfenster Scheiben wallt es hin und her und schimmert
Von gekräuselten Gardinen, wie der Reif im Morgen flimmert.
Überm Wald zittert des Mondes Strahl, leuchtet groß in seinem Lauf,
Felsenkanten, Baumesgipfel zeichnet er am Himmel auf,
Wache stehn um seinen Aufgang hohe Eichen stumm und hüten,
wie auf altverwunschnen Schätzen arge Riesen finster brüten.

Nur die weißen Schwäne ziehen, langsam aus dem Schilfe gleitend,
Durch die Flut als stolze Gäste flügelschlagend, flügelbreitend,
So durchschneiden sie die Stille, die die Welt und sie umfangen,
Bald in triefendem Gekreise, bald in glühnder Furchen Prangen.
Bricht die Welle sich am Ufer, wogt das Ried und raunt und rauscht.
Schläfrig zirpt aus Gras und Blumen eine Grille her und lauscht...
In der Luft ist soviel Sommer, wunderschön ist all das Weben...

Nur der Ritter schaut zur Brüstung und sein Seufzer ist voll Fragen,
Grünes Laub entquillt den Mauern, lässt den Weg hindurch sich bahnen,
Glühend rote Schirasrosen und vielfarbige Lianen.
Ihn berauscht der Wasser Atmen, ihn berauscht des Abends Schöne;
Auf der Schöpfung Zauber träufeln schmelzend der Gitarre Töne:

„Oh, erscheine mir auch heute in dem langen Seidenkleide,
Das wie silberstaubbesät ist, meiner Augen süße Weide,
Nie ersättigst du sie deiner, wenn in eigner Leuchtkraft Hülle
Du mit weißen Fingern schlichtest deines blonden Haares Fülle.
Komm und spiele... spielen darfst du... ja mit mir und meinem Ruhme,
Aber wirf vom schönen Busen mir die welke Wiesenblume,
Dass sie leises Echo wecke, treffend der Gitarre Saite...
Ach! Wie weiß die Nacht und hell ist, fast, als wenn es Flocken schneite.
In des Schlafgemaches Schatten lass mich lieber zu dir kommen,
Ach, der Duft des frischen Leinens hat mir schon den Kopf benommen;
Cupido wird uns der Lampe violette Glocke decken,
Schelmisch sorgend, dass nicht Strahlen meine schlanke Herrin schrecken!“

Übern Estrich rauscht es seiden, knistert zwischen Blumentöpfen,
Schirasrosen und Lianen nicken mit den blauen Köpfen;
Aus den Blumen lacht das Mädchen, das geliebte, auf den Ritter -
Wie ein leichtes Engelswesen beugt sie vor sich übers Gitter -
Wirft ihm eine Rose nieder, und am Mund haltend die Hände
Scheint als ob ihr süßer Tadel heute nimmt nicht mehr ein Ende;
Dann verschwindet sie ins Zimmer... du hörst Schritte, steigen nieder...
Und da fliegt sie aus dem Türchen, und nun haben sie sich wieder.
Schreiten Arm in Arm den Steg lang... Freude ist’s, sie anzusehn,
Sie die Schönheit, er die Jugend, wie sie schlank und rank da gehen.
Doch nun löst aus Uferschatten gleitend sich ein kleiner Kahn,
Um den Mast gerefft die Segel, hin in freie Wasserbahn
Tragen leichte Ruderschläge sie im Takt hin ohne Hast,
Bebend wiegt die Flut das Wunder, soviel heiler Schönheit Last...

Doch der Mond... ist voll erglommen, halb erhebt er sich und schlägt
Einen Steg aus flüss’gem Feuer, der zu beiden Ufern trägt.
Über tausendfaches Wimmeln kleiner Wogenseelchen flimmernd,
Er, ein Traum des ew’gen Dunkels, sie so zart und goldig schimmernd;
Wie sein mildes Licht sich steigend immer läutert, immer klärt,
Wächst des Wassers Flut, die Ufer wachsen, zauberisch genährt,
Größer, höher steht der Hochwald, näher scheint er herzudringen,
Eifernd mit der Mondesscheibe, sich den Wellen aufzuzwingen.
Und wo breit der Linden Schatten dunkel auf das Wasser drängen,
Wächst ein leiser Wind um Blüten, die zum Boden abwärts hängen;
Über Mädchens schönes Blondhaar wehen sie und regnen nieder...
In dem rückgeworfnen Köpfchen schloss sie ihre Augenlider,
Des Geliebten Hals umschlingend: - Lass mich, meine Sinne schwinden...
Welches süße Grauen muss ich, wenn du zu mir sprichst, empfinden!
Gönne deiner Magd die Tiefe, warum willst du mich erheben,
All mein Schmuck sind deine Seufzer, wenn dein Lied mit sanftem Beben
Um mich wirbt und mich erschüttert, aus des Herzens Gründen strebend,
Und aufs neu’ vergangner Zeiten Märchenliebe mir belebend;
Deine Träume klingen traurig, traurig blicken deine Augen,
Und doch kann ich ihrer Süße, ihrer Nacht genug nicht saugen.
Ob in ihrer Feuchte Abgrund mir der Rest Vernunft auch schwinde,
Gib mir deine schwarzen Augen... ob ich schauend auch erblinde,
Sollst du nicht zur Seite blicken, lausche, horch, wie tausend Wellen
Mit den zukunftsklugen Sternen Zwiesprach halten; blaue Quellen

In des dunkeln Waldes Schatten, die von unserm Glück nur rauschen,
Unsrer Liebe Wundermäre heimlich miteinander tauschen.
Die so kühlen Tannenwälder, Morgenstern und Abendstern,
See und Erde... Luft und Himmel... alle haben sie uns gern...
Lass das Steuer los, die Ruder mögen sanft ins Wasser gleiten,
Dass uns ganz nach ihrer Laune die geschwinden Wogen leiten,
Überall, wohin sie tragen, wo wir zwei in einem Boot,
Überall ist Glück wo du bist... sei es Leben, sei es Tod.
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Phantasie, ach Phantasie du, wenn du zu mir trittst ins Zimmer,
Weiß ich, über Seen und Meere und durch Büsche geht’s wie immer!
All die unbekannten Länder, nie gesehn und stets bewundert,
Sag’, wo liegen sie, wann war das, was du träumtest, vierzehnhundert?
Heute darfst du dich mit nichten in der Liebsten Blick verlieren,
Denn versuch, nach Lust und Laune nur ein bisschen zu scharmieren,
Küsse sie und drücke an dich heimlich sie im Dämmerlicht,
Lass die Augen nur sie fragen, liebst du mich? Oh, lüge nicht! —
Und die Tür springt auf, herein guckt gleich die Schar Verwandten,
Hast noch kaum die Hand erhoben, wimmelt’s Onkel, regnet’s Tanten...
Gibt’s auf dieser weiten Erde keinen Winkel, um zu lieben?
Und verlegen stehst du, Scham ist rot dir ins Gesicht geschrieben...
Setz dich, wo sie alle sitzen, wie ägypt’sche Mumien steif,
Falte fromm die Hände, drehe stumpf an deinem Fingerreif,
Mach dir fleißig Zigaretten, zähle deine Schnurrbarthaare,
Wenn man kulinarisch grübelt, zeig Genie, das ist das Wahre.

Müde bin ich dieses Lebens... nicht genoss ich’s vor der Zeit,
Doch mir ekelt vor der Prosa täglicher Erbärmlichkeit.
Müssen wir mit tausend Tränen jenen eiteln Trieb umräuchern,
Der im Jahre etwa zweimal zwitschernd lockt aus Laub und Sträuchern?
Ihr nicht seid’s, die lebt, ein andrer leiht euch seinen Hauch und lebt,
Lacht mit euerm Mund und flüstert, wenn’s verlangend ihn durchbebt.
Euer aller Leben sind nur Wellen, die vorübergleißen,
Doch der Fluss allein ist ewig, Demiurg ist er geheißen.
Fühlt ihr nicht, dass eines andern Liebe in der euern zittert?
Dass ihr in der dümmsten Sache, große Toren, Wunder wittert?
Nur den Zwecken der Natur dient Liebe unter allen Namen?
In der Existenzenbrutstatt keimt des Hasses ew’ger Samen?
Eure Lust und euer Lachen wird zu Tränen euern Söhnen
Und ist schuld, dass Kains Erben unterm Fluche weiter stöhnen.

Possenspiel von Marionetten... die die größten Phrasen schreien,
Tausend Späße und Geschichten, sprechen wie die Papageien,
Ohne selbst sich zu verstehen... Denn der Spieler über ihnen
Spricht zu sich nur, wenn sie tanzen, und derselbe Text muss dienen,
Den Jahrhunderte schon sprachen, der noch andre kürzen wird,
Bis die Sonne in des Wesens tiefen Urgrund stürzen wird.
Wenn der Mond, durch Wolken leuchtend, über Lebensöde gleitet,
Musst du mit, die Welt von Träumen mit dir schleppend, wie er leitet?
Auf beschneiter Gassen Glatteis musst du auf die Nase fallen,
Um durch helle Fensterscheiben zuzusehen, wie sie allen
Lächelt, die sie drin umschwärmen, allen, die im Kerzenschein,
Unsres Herrgotts Zeit bestehlend, um die Flatterhafte frein?
Musst das Sporenklirren hören und dem Röckeknistern lauschen,
Wenn die Damen süße Blicke mit den Schnurrbartzwirblern tauschen?
Musst gefühlvoll, vor der Türe frierend, lächerlich dich machen,
Wenn sie drinnen vielversprechend kupplerisch und schamlos lachen?
Bist du nicht ein Kind, zu lieben trotzig und voll Leidenschaft,
Wenn sie kalt bleibt und dich auslacht, wie Aprilwind launenhaft?
Willst du völlig närrisch werden, mit verschränkten Armen stierend
Und von Kopf bis Fuß mit Blicken sie verschlingend und umgierend,
Gleich als wär’s ein griech’scher Marmor, ein Correggio, ein begehrter?
Sie mag fühllos und kokett sein: du bist lächerlich, Verehrter...
Ja... einst träumt’ auch ich von einer, lieben sollte sie mich, sollte
Über meine Schulter schauen, wenn der Mut mir sinken wollte,
Fühlen sollt’ ich ihre Nähe, ich verstände sie, ihr Wahn sein...
Unser beider armes Leben ein berauschender Roman sein...
Nicht mehr such’ ich sie... Wozu auch? Und ein andres Lied erklingt,
Von dem Durst nach ew’ger Ruhe, das mir stets im Ohre singt;
Doch die Leier ist zertrümmert. Dissonierend, steinerweichend,
Wie ein Quell durch blinde Nacht spukt, tönt das alte Lied noch keuchend.
Ab und an entflieht ein Lichtstrahl sauber klingend in dem Raum
Aus der Carmen saeculare, soviel blieb von meinem Traum.
Doch im ganzen zischt’s und rasselt, schrillt, als ob die Saiten sprängen,
Und entstürmt, wie angstgetrieben, in chaotisch wildem Drängen.
In mein Hirn gerät die Meute, öde glüht mein Kopf und leer,
Grimm und kalt entströmt ein Singen, wehe, nie vollendet mehr...
Wohin floh mir der Akkorde Klarheit, die mich einst beglückt?
Ach! die Leier liegt zerbrochen, und der Meister ist verrückt!

Added by: Ioana D

Translator: Christian W. Schenk
Language: German


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