Brief II - Mihai Eminescu

Fragst warum die Feder rastet in dem Tintenfass seit Tagen?
Und weshalb sogar der Rhythmus lässt mich kalt und nur voll Fragen?
Wieso schlafen auf ein’ Haufen, auf vergilbten Seiten stumm
Alle Jamben, die Trochäen, die Daktylen, fragst warum?

Doch du weißt nicht, wer mein Feind ist. Kennst du dieses Rätsels Leben,
Meine Feder zu zerbrechen, würdest du das Recht mir geben,
Denn in ehrlich gradem Kampfe wird es jeden bald verdrießen,
Unsrer Sprache alte Weisheit heut in neue Form zu gießen?
Das Gefühl, das leise schlummert in der Harfen Liederschare,
Auf der Bühne in Cupletten zu verscherbeln wie ’ne Ware
Und, nach Allerneustem durstig, aufzugehn in Modesachen,
Um des lieben Pöbels willen sie zur Groschenoper machen?

Deinen Einwurf kannst du sparen. Nett wär’s freilich, würd’ im Land
Durch gefällige Gedichte ich und mein Talent bekannt,
Offiziellen Würdenträgern sollt’ ich mich rekommandieren,
Ihren Frauen unterwürfig meine Verse dedizieren,
Und den Ekel meiner Seele durch Verstand sollt’ ich mir heilen. -
Doch um nicht zu spät zu kommen, müsst’ ich, Freund, mich sehr beeilen.
Denn in unserem Jahrhundert gibt es eine Bardensorte,
Die, um Stellen zu ergattern, Reime jagen, deren Worte
In den Kaffeehäusern umgehn, Beifall in Salons entfachen,
Weil sie, große Herrn und Damen ehrend, schlechte Verse machen;
Weil des Lebens Pfade schwer sind, weil zu eng und viel zu steil,
Zu umgehen sie’s versuchen unter Röcken dreist und geil,
Für die Widmung an die Frauen wird ein Pöstchen sie belohnen,
Sollte einst als Staatsminister der Gemahl allmächtig thronen.

Weshalb möchte ich nicht schreiben für den Ruhm und Namensehre?
Ist es Ruhm, Worte zu machen, die verhallen in der Leere?
Heute, wo den Leidenschaften jeder Staubgeborne frönt,
Ruhm, der ist ein großes Wahnbild, das ein Haufen Narren krönt,
Dem Idol mit Inbrunst dienend, und ein Zwerg wird groß genannt,
Der ein Bläschen Schaum, nichts andres, ist doch in der Zeiten Band.

Doch die Liebe zu besingen sollt’ ich meine Lyra stimmen?
Um mit zwei und drei Geliebten in demselben Teich zu schwimmen.
Um zu harfen, um zu säuseln, dass ich seh’nden Augs dem Chor
Beitrat, der in Operetten Menelaos zum Cheferkor?

Heute nennt sich Frauenschule, was sonst Lebensschule heißt,
Drin man dich in Weltschmerz, Ekel und Blasiertheit unterweist;
In der Venus hohe Schule treten jung und jüngre Serien,
Der galanten Göttin Studien hin sich gehend ohne Ferien;
Grüne, bartlose Adepten werden immatrikuliert,
Bis sich Lehrerin und Schüler zu Gespenstern abstudiert.

Denkst du, Freund, der alten Zeiten, da wir noch im Hörsaal nickten,
Lauschten wir den alten Lehrern, die der Zeiten Kleider flickten
Aus vergilbten Bänden sammelnd Leichenaugenblicke weit
Und in Dingen Flicken suchend all der Welten Wissenheit?
Leise rauschten sanfte Quellen einen Fluss der horum—harum,
Mit dem Plätschern zu gewinnen nervus rerum gerendarum;
Für den Flaschenzug des Geistes tiefe Ehrfurcht von uns fordernd,
Bald Ägyptens Pharaonen, bald Planeten hoch beordernd.

Heut noch seh’ der Dunkelheiten Astronom ich, mühelos,
Wie aus einer Schachtel, holt er Welten aus des Chaos Schoß,
Streckt die Ewigkeiten alle in die Länge aus und belehrt,
Dass man, Perlen gleich, Epochen auf die Schnur reiht, unversehrt.
Damals ging die Welt als Mühlrad mir im Kopf herum, versteht sich;
Nur wie Galileo fühlt’ ich, dass der ganze Trubel dreht sich. -

Wie mich Schulstaub, tote Sprachen und Planeten wechselnd plagten,
Ward der Lehrer mir zum König, dran die Würmer gierig nagten
Ramses glaubte ich zu hören, Spinnen an der Decke sah ich,
Die die Pfeiler abwärts krochen, und an blaue Augen dacht' ich,
Kritzelte am Rand des Heftes Liebesverse an die wilde,
Rosenfingrige und süße, schöngestaltete Klothilde.
Und mir schwebten vor den Augen mit der Zeiten Buntmixtur
Mal die Sonne, mal ein König, mal ein andres Haustier nur.

Wenn ich schläfrig leise Federn hörte kratzen auf den Bogen,
Sah ich grüne Weizenfelder, goldne Leinäcker und Wogen.
Ins Unendliche sank alles, wenn mein Kopf aufs Heft mir sank;
Ramses war wohl grad gestorben, als die schrille Glocke klang.

Damals galt als einzig wirklich uns die Welt der Schulideen,
Und Schimäre war uns alles, was zu greifen war, zu sehn.
Heut erst wissen wir, wie trocken und wie rau die Pfade sind,
Wem die Ehre höchste Norm ist, der in sich ist noch ein Kind.
Denn in dieser Welt des Alltags auch zu träumen ist gefährlich,
Und wer hat Illusionen, wird verlacht und ist entbehrlich.

Also frage fortan nicht mehr, wieso ruhe ich seit Tagen
Und weshalb sogar der Rhythmus lässt mich kalt und nur voll Fragen,
Wieso schlafen auf ein’ Haufen, auf vergilbten Seiten stumm
Alle Jamben, die Trochäen, die Daktylen, frag nicht warum...
Schrieb ich länger noch Gedichte, fiel’ es meinen Zeitgenossen
Ein vielleicht, mich drob zu loben, und ich fürchte solche Possen.
Ihren Hass kann ich ertragen, leicht und lächelnd ihren Tadel,
Aber wollten sie mich loben, litte meiner Seele Adel.

Added by: Ioana D

Translator: Christian W. Schenk
Language: German


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